Fängt ja gut an

Also, Sri Lanka jetzt. Hat ja vermutlich jeder schon mitgekriegt, der hier gelegentlich mitliest.

Dass wir da mitten in einer Krisenregion landen, war eigentlich nicht so gedacht. Wir sind sogar etwas früher als geplant angekommen, mit dem Vorsatz, die eigentlich obligatorische Vorbereitungsphase dann Anfang Juni nachzuholen. Wegen der früheren Einreise waren unsere Residence-Visa erst mal nicht fertig, also ist Cristina mit Businessvisum und Leo und ich als Touristen angekommen. Zwei Wochen in einem Airbnb-Haus, mit Maklern Dutzende von Häusern anschauen (in Wohnungen nehmen sie uns hier generell nicht wegen der Katzen) und sich in der Stadt orientieren, das klappt schon alles ziemlich routiniert, ist ja nicht das erste Mal. Am Ende hat wieder eins der ersten Häuser den Zuschlag bekommen, das wir angeschaut hatten: etwas ab vom Schuss (no pun intended) und direkt am Naturschutzgebiet mit Eisvögeln am Wasser und Affen, die übers Dach turnen. Das ganze in Sichtweite vom Parlament, also eher eine sichere Gegend, und fast Laufentfernung zur Schule. Super.

Das Langzeit-Visum zu besorgen ist ja eigentlich einfach: ausreisen zur nächstgelegenen srilankischen Botschaft und mit dem richtigen wieder rein. Die nächstgelegene ist hier in Malé (nicht zu verwechseln mit Malle), da beschwert man sich auch nicht unbedingt, da mal hin zu reisen. Nur als wir da waren hieß es, schade, Visum gibt’s keins, denn: die Bestimmungen sind geändert worden und man bekommt das jetzt nur noch dort, wo man selbst einen Aufenthaltstitel hat – wir also in Deutschland. Hätten sie vielleicht auch mal vorher sagen können. Also Dienstreise nach Deutschland, immerhin auf Kosten der Steuerzahler. Und kaum dort angekommen, jagen die Idioten im zehn Jahre lang ziemlich friedlichen Colombo diese Kirchen und Hotels in die Luft.

Obwohl wir den Aufenthalt in Deutschland noch fast zwei Wochen verlängert haben, um die Kacke etwas abdampfen zu lassen, ist hier noch deutlich dicke Luft. Gottesdienste sind eine Weile ausgefallen und christliche Schulen wie die unserer Nachbarskinder haben z.T. aus Angst vor Folgeanschlägen immer noch zu, und auch in Leos Schule haben sie ganz krasse Security aufgefahren. Da stehen jetzt immer mindestens vier Typen mit Kalaschnikovs vor dem Tor, außer Lehrern und Schülern kommt keiner ohne telefonische Voranmeldung überhaupt rein, und alle werden gefilzt. Wobei das “krass” natürlich auch relativ ist – Metalldetektoren und bewaffnete Lehrer wie in Florida haben wir noch nicht und werden wir auch nicht kriegen. Die Folgeanschläge haben zum Glück bisher auch nicht stattgefunden, dafür marodieren jetzt christliche und buddhistische Mobs herum, zünden Moscheen an und versuchen vereinzelt, Moslems abzustechen. Die nächtliche Ausgangssperre, die sofort nach den Anschlägen verhängt wurde, war bei unserer Ankunft schon wieder aufgehoben, ist mittlerweile aber wieder z.T. in Kraft gesetzt worden. Je nach Lage verhängen sie die nur in bestimmten Orten oder auch mal wieder landesweit wie heute. Weil sich die Mobs wie mittlerweile üblich bevorzugt auf Social Media zusammenfinden, werden die jetzt auch regelmäßig und flächendeckend abgeschaltet – Facebook gleich als erstes, WhatsApp und Viber auch, mittlerweile auch der hier nicht so beliebte Twitter. Offenbar werden die Provider verpflichtet, da eine Firewall zu aktivieren und bestimmte IPs zu erden – das ist keine simple DNS-Umleitung. Natürlich wissen mittlerweile Hinz und Kunz über Orbot, VPN & Co. Bescheid, aber die übelsten Hohlbirnen scheint das zumindest die ersten Tage etwas gebremst zu haben. Wie effektiv das jetzt noch ist – keine Ahnung. An sich wäre ich ja bei solcher Zensur sehr dafür, möglichst vielen Leuten etwas Nachhilfe in Sachen Anonymität im Netz, Verschlüsselung etc. zu geben, aber wenn die das nachher benutzen, um sich auf Fratzenbuch zusammenzurotten und Leute zu erschlagen, dann lass ich das doch lieber bleiben.

Bleibt abzuwarten, wie weit das jetzt noch hochkocht. Der Konflikt in Sri Lanka war ja eigentlich nie ein religiöser: die Tamilen sind mehrheitlich Hindus, ein paar Moslems, Christen und Buddhisten gibt’s aber auch; noch mehr sind die Sinhalesen gemischt, bei denen die meisten Buddhisten aber auch größere Minderheiten Moslems und Christen sind. Dass die Animositäten wie üblich ökonomischer Art waren, kann man schon nach einer halben Stunde im Land leicht raten. Die Sinhalesen sind generell die hellhäutigere Mittelklasse, die brauneren Tamilen eher die Proleten. Die krassesten Benachteiligungen wie Tamil gar nicht als gleichwertige Landessprache anzuerkennen sind z.T. schon vor dem Bürgerkrieg langsam beseitigt worden. Fundamental geändert hat sich das natürlich alles nicht, aber die Grenzen verlaufen nicht mehr so klar an den ethnischen Trennlinien. Und da die klaren, praktischen Feindbilder mit dem Bürgerkrieg offiziell eh abgeschafft worden sind, suchen sich die Unzufriedenen jetzt halt andere Sündenböcke, Religion wird da ja immer gern genommen.

Regierung und Opposition schwingen die Tage die gleichen markigen Worte, dass das alles gar nicht geht und auch sämtliche religösen Führer rufen natürlich dazu auf, gefälligst mal die Bälle flach zu halten, aber so einige ignorieren mittlerweile schon Ausgangssperren, ohne dass die Polizei das effektiv verhindert.

Es bleibt also spannend. Immerhin kriegen wir diese Woche unser Visum und können dann auch endlich den Umzugskram in Empfang nehmen, ohne den wir seit mittlerweile einem Vierteljahr auskommen. Endlich wieder fahrrad-mobil!