Mutantenstadl

COVID mal wieder, man redet ja kaum über was anderes. Hier war seit dem Wiederaufflammen in Minuwangoda im Herbst nie so richtig Ruhe, aber eigentlich ging das Leben relativ normal seinen Gang. Man konnte an den Strand fahren (das ist jetzt seit der X-Press Pearl-Katastrophe eh gestrichen), radeln gehen, einkaufen, und die Schulen waren wieder offen. Aber seit die diversen Mutanten v.a. aus Großbritannien und Indien hier angekommen sind, geht’s steil aufwärts:

COVID-Fälle 02/2020–06/2021

Die Intensivstationen sind seit Mai komplett voll, so dass auch der anfangs komplett unwillige Präsident dem Druck der Public-Health-Experten nachgeben und sowas wie eine Ausgangssperre verhängen musste. Das heißt, Ausgangssperren gibt’s ja keine mehr, weil irgendwem aufgefallen ist, dass das verfassungswidrig wäre. Jetzt gibt’s das selbe in grün unter dem schön verfassungskonformen Namen “Reisebeschränkungen”. In grün deswegen, weil sich die Strategie geändert hat: wahrscheinlich hat jemand gesagt, von Deutschland lernen heißt siechen lernen, und jetzt fahren wir hier auch so eine Verwirrungsstrategie, damit das Virus nie weiß, mit welcher neu durchs Dorf getriebenen Sau es morgen zu tun haben wird.

Erst hieß es, die Reisebeschränkungen™ würden ganz ganz strikt und nur die essenziellen Dienste aufrecht erhalten. Dann stellte sich raus, dass so einiges mehr als “essenziell” gilt als letztes Jahr – z.B. unser Nachbar, der Zuckerwassermarketinggedöns für Coca-Cola macht, geht jeden Tag ins Büro weil die ganze Firma eine Genehmigung zum weitermachen hat. Ganz klar, ohne Coke geht die Wirtschaft zugrunde. Oder zumindest die Freundschaft des Chefs mit wesentlichen Regierungsmitgliedern.

Letztes Jahr kam man sich z.T. wie in einer Geisterstadt vor; jetzt gibt’s manchmal sogar weiter Stau auf den Hauptstraßen. Dass sie jeden Tag die Zahl der wegen Ausga– ‘schuldigung, Reisebeschränkungsverstößen verhafteten an die Presse geben, hat nicht viel dran geändert, dass sich bei so vielen Ausnahmen auch Leute dazwischenmogeln, die eigentlich noch weniger essenzielles zu tun haben als Zuckerwasser zu verkaufen. Auch nicht, dass sie Polizei an die Straßen stellen und gefährlich aussehen lassen. Bei so einer Straßensperre wie aus dem Lehrbuch würde man in Deutschland vermuten, dass sie mindestens einen IS-Anführer suchen: eine Spur blockiert, im Hintergrund ein Chef mit Lametta an der Uniform, zwei bis drei Bewaffnete, die Leute rauswinken, und 20m weiter steht noch einer mit Flecktarn, Sonnenbrille und beiden Händen an der Kalaschnikow. Aber an martialisches Auftreten wegen Pillepalle gewöhnt man sich halt schnell.

Vorgestern haben sie sich bunte Aufkleber für kontrollierte Autos einfallen lassen. Die Kriterien, nach denen die zu kontrollierenden ausgewählt werden, sind wohl bei allen Polizisten ziemlich ähnlich, so dass am Ende immer die selben an jeder Straßensperre kontrolliert wurden und die anderen gar nicht. Den Tag zuvor hatten sie angefangen, irgendwelche Aufkleber zu verteilen, bis ihnen aufgefallen ist, dass die Leute ihre Aufkleber ja nicht nachts abmachen, so dass man am nächsten Tag nicht weiß, wann jemand kontrolliert wurde. Das war ihnen wirklich nicht klar, hat der Polizeisprecher so gesagt:

Police Spokesman DIG Ajith Rohana said a new sticker with a different colour will be issued today, which will be valid only for the day. He said the Police were able to identify the shortcomings of the system that was introduced yesterday, with it being rectified and implemented today.

Jetzt muss man zum bescheißen zumindest einen Block Post-It und eine Schere kaufen.

Außerdem hieß es, der gesamte öffentliche Verkehr inklusive Taxis (d.h. auch Tuktuks) würde eingestellt – vermutlich ist es den verantwortlichen Superhirnen kurzzeitig entfallen, dass eher wenige Beschäftigte bei den essenziellen Diensten einen fahrbaren Untersatz haben. Unklar war dann, ob das rechtzeitig jemandem aufgefallen ist, oder ob sie das bloß den Transportunternehmen mitzuteilen vergessen haben, jedenfalls gab’s ganz normal Taxis dieser Tage.

Zwischendurch wird immer mal wieder laut darüber nachgedacht, ob man “lockern” sollte (schätze, das Wort hat in Deutschland mittlerweile Chancen auf den Titel “Unwort des Jahres”), was dann angesichts der nicht zurückgehenden Fallzahlen zum Glück nicht passiert. Mittlerweile verharren die mit ca. 3000 am Tag immer noch Größenordnungen über dem Niveau vom letzten Jahr. Es bleibt also auf niedrigem Niveau spannend.

So, jetzt muss ich aber auch mal wieder Radl-Content bringen, genug des absurden Theaters.