Déjà Curfew

Seit Donnerstagnacht haben wir mal wieder Ausgangssperre. Nachdem Sri Lanka mittlerweile monatelang eine Oase der Gesundheit gewesen war und die letzten Ansteckungen außerhalb der Quarantänezentren irgendwann im Juli gemeldet worden waren, hat eine Textilfabrik mit diversen Kontakten nach Indien die Pandemie jetzt wieder zurück gebracht, und diesmal sieht es so aus, als hätten sie die Sache wirklich außer Kontrolle geraten lassen.

Vom 20.3. bis 28.6., gut drei Monate, war ja hier schon mal Ausgangssperre, und wenn ich so Berichte wie aus Melbourne lese, muss ich mich schon ein bisschen wundern.

“I think it’s hard to think of another community anywhere else — I think internationally as well — that’s been so stoically accepting of the very strict restrictions they faced,” said Paul Strangio, a professor of politics at Monash University in Melbourne. “They’ve made a decision, Victorians, that health had to be put first.”

Das war voll hart in Melbourne, liest man da. Schulen, Geschäfte und Kirchen zu, man durfte ohne Erlaubnis nicht mehr als drei Meilen von zu Hause raus, zuerst nur eine Stunde am Tag, dann später zwei, und nachts war Ausgangssperre.

Die Regeln in Sri Lanka waren etwas einfacher: “Ihr geht nicht aus dem Haus. Nein, auch nicht gassi oder joggen oder so. Gar nicht.” Klar gab’s Ausnahmen, i.W. drei:

  1. du arbeitest irgendwas essenzielles
  2. du musst dringend zum Arzt, zur Apotheke oder zum nächsten Geldautomaten
  3. du gehst zur Polizei, um dir eine Erlaubnis zu holen

Ich habe mir zweimal ein Permit geholt, um auf die Bank zu gehen, weil wir unsere Miete ein Jahr vorauszahlen müssen, und da gab’s ein Überweisungsproblem – sowas ging dann schon. Aber sonst war wirklich kein Mensch unterwegs, und allein auf den etwa 4km zur Polizei waren drei Straßensperren, wo sie einen auch wirklich angehalten und gecheckt haben. Anfangs hieß es noch, die Supermärkte sollten ein paar Tage die Woche öffnen dürfen, aber es hat sich schnell herausgestellt, dass das die ohnehin nicht sonderlich ausgeprägte Fähigkeit der Sri Lanker zum Social Distancing vollends zunichte macht, und wenige Tage später waren die auch zu und Essen gab’s nur per Lieferservice. Das hat erstaunlich gut funktioniert. Zumindest den ersten Monat musste man zwar das meiste im Paket kaufen, weil sie’s personell und technisch nicht hingekriegt hätten, individuelle Bestellungen im Internet entgegenzunehmen, zusammenzustellen und auszuliefern, aber das wurde mit der Zeit auch besser. Das war dann anfangs immer “Große Gemüsetüte (10kg)” oder “diverses Obst” und man konnte sich überraschen lassen. Selbst für meinen Begriff monströse Mengen an Chili waren immer dabei, aber die sind wir leicht an die Nachbarn losgeworden – so weit haben wir das Haus dann schon verlassen können. Die Kinder konnten in der Sackgasse ohne Durchgangsverkehr meistens eine Stunde am Nachmittag raus, die hätten sonst echt durchgedreht.

So haben sie die erste Welle relativ schnell zum verebben gebracht, mit gut 2000 Kranken und 13 Toten (dazu kamen über die Wochenn immer noch diverse infizierte Srilanker, die sie aus dem Ausland zurückgeholt haben, aber keine lokale Ansteckung mehr). Den Leuten geht es immer noch nicht gut und ich habe keine rechte Ahnung, wieviele die offiziell zur Verfügung gestellten Hilfen von irgendwas um die 40% vom jeweiligen Lohn wirklich erhalten haben. Aber bei den geringen Krankenhauskapazitäten (vom testen ganz zu schweigen) wäre alles andere sicher deutlich schmerzhafter gewesen.

Irrerweise haben sie jetzt wieder zum Teil mit dem selben Bullshit angefangen wie im März: erst mal angekündigt, dass die Läden ein paar Tage offen bleiben, dann bevor der erste überhaupt geöffnet hätte festgestellt, dass das doch “nicht praktikabel” sei. Ach nee. Am Donnerstag hieß es noch, Ausgangssperre bis Montag früh. Die einzigen, die das geglaubt haben, waren ein paar Neuankömmlinge, die das halbdutzendmalige “ab nächste Woche dürft ihr wieder raus”–“ah nee, jetzt doch noch nicht, wartet noch ne Woche”-Spiel vom Juni noch nicht kannten. Jetzt ist natürlich schon mal eine Woche verlängert.

In den Monaten ohne Community-Ansteckung sind ein Haufen Leute sehr unvorsichtig geworden v.a. was Masken angeht, und die erwähnte Texilfirma hat auch ganze Arbeit geleistet: statt ihre auffällig hustenden Arbeiter mal zum testen anzumelden, haben sie wahrscheinlich geglaubt, es gibt ja in Sri Lanka eh kein Covid, kann ja alles nicht so schlimm sein. Die Vorstellung von einer Betriebsschließung für den Fall dass doch was gefunden würde hat sie in diesem Glauben sicher noch bestärkt. Jetzt sind es innerhalb von ein paar Wochen mit über 5000 aktiven doppelt so viel Infizierte wie in den ganzen Monaten vorher. Von da her wird es bei der Woche auch nicht bleiben.